Chile brennt: Ist der Neoliberalismus in der Krise?
Diskussionsabend
Leechgasse 22 - 24
8010 Graz
Chile galt lange Zeit als Musterschüler des Neoliberalismus. Chile ist weltweit das Land, wo die Diskrepanz zwischen Armut und Reichtum am heftigsten wahrgenommen wird (Standard 8.11.2019). Dieses System ist für die Chilen*innen überholt und zeigt sein brutales Gesicht in der Repression der Demonstrationen durch die Regierung von Präsident Sebastian Piñera.
Um einen Überblick der Situation in Chile zu vermitteln, veranstaltet die Grüne Akademie in Zusammenarbeit mit dem Afroasiatischen Institut Graz einen Diskussionsabend mit:
Prof. Stephan Schulmeister (Ökonom)
Juan Pablo Orrego (Ökologe und Alternativ Nobelpreisträger) online aus Santiago
Ingrid Wehr (Leiterin der Heinrich Böll Stiftung Cono Sur in Santiago) online aus Santiago
Moderation: Nibaldo Vargas Arias
In September 2019 wurde die stärkste Trockenheit der letzten 50 Jahre in Chile erlebt. Die Wasserknappheit ist aber nicht nur ein natürliches Phänomen, sondern es spiegelt die krasseste Form des Neoliberalismus wider. Der Ausverkauf der Flüsse an private Gesellschaften führte dazu, dass die Eigentümer zum Teil die Flüsse für die Avocado-Plantagen umleiteten, sodass viele Kleinbauern keinen Zugang zu Wasser hatten. Die Folgen waren Viehsterben und die Unterversorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser. Ein anderes Ziel der privaten Gesellschaften ist der Bau mehrerer Wasserkraftwerke entlang der Anden, um den Rohstoffabbau im Norden Chiles zu ermöglichen, hierzu gehört u.a. die Gewinnung vom Lithium. Das sind nur einige Beispiele dafür, wie der Neoliberalismus - gestützt durch die Verfassung, die 1979 noch während der Militärdiktatur von Pinochet erlassen wurde - seinen „Triumphzug" feierte und das ökologische Gleichgewicht in Chile stark gefährdet.
Seit dem Sprung eines Schülers über dem Drehkreuz der U-Bahn von Santiago am 3. Oktober - aus Protest gegen die zweite Tariferhöhung in diesem Jahr - ist Chile in Aufruhr. „Estallido Social" (Soziale Explosion) nennen die Chilenischen Medien diese langanhaltenden Proteste. Seitdem gibt es keinen Tag ohne Protestmärsche oder Streiks. Es ist ein Phänomen, an dem sich fast alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligen. Ende Oktober fand die größte Demonstration Chiles statt, an der allein in Santiago ca. 1,5 Mill Menschen teilnahmen. Am 8. November ging wieder über eine Million Menschen in Santiago und im ganzen Land auf die Straßen.
Die politische Elite hat versagt. Fern jeder politischen Partei kämpfen die Chilen*innen für ein würdiges Leben. In Chile sind laut jüngsten Studien 60% der Haushalte verschuldet. Die Privatisierung von Bildung, Gesundheit und Pensionen raubt vielen Chilen*innen die Möglichkeit einer Veränderung ihrer sozialen Lage. Dazu kamen in den letzten Jahren mehrere Korruptions-skandale innerhalb der Armee und Polizei, sowie Fälle schamloser Steuerhinterziehung verschiedener Unternehmer, die nur milde Strafen nach sich zogen, was die Stimmung weiter aufheizte.
Die Menschen verlangen eine neue Verfassung, über 80% der Chilen*innen haben diesen Wunsch bei verschiedenen Erhebungen in den letzten Wochen bekundet. Um dies fern der Politik zu thematisieren, bilden die Menschen Bürgerforen, wo diese Wünsche artikuliert werden. Die Oppositionsparteien unterstützen dieses Begehren.
Und wie sehen wir in Österreich/Europa den Zusammenbruch des Neoliberalismus?